Ich komme aus München.
Fußball. Bier. Berge. Bayern. Und Oktoberfest.
Das waren die Dinge, die die meisten Ausländer bisher mit
meiner Heimatstadt assoziiert haben.
Und ja, alles Dinge, auf die wir Münchner stolz sind. Dinge,
die wir zelebrieren.
Die berühmte "Fünfte Jahreszeit" der Bayern begann
dieses Jahr mit einem tadellosen "O'zapf is" von Oberbürgermeister
Reiter, der nach seiner Premiere im letzten Jahr nur zwei Schläge brauchte, um
das Bier fließen zu lassen. Und jetzt fließt es seit Samstag. Fließt in Strömen.
Kostet ein Vermögen. Macht betrunken, hemmungslos.
Das Massensaufgelage ist dieses Jahr nicht zum ersten Mal in
der Kritik. Und auch dieses Jahr hat es gerade einmal 80 Minuten gedauert bis
es die erste Wiesn-Alkoholvergiftung gab. Es gibt immer neue, kranke Rekorde,
die auf dem größten Volksfest der Welt aufgestellt werden. Wer kann am
schnellsten den überteuerten Liter Bier in sich laufen lassen und dabei weder
vom Tisch kippen, noch von der Security runter gezogen werden? Wer kotzt als erster?
Wer schleppt am meisten dirndltragende, sturzbetrunkende Madln ab?
Diese traurige Wahrheit über das Fest, das eigentlich auf
einer schönen, harmlosen Tradition seit 1810 beruht, ist nicht zu verstecken.
Man sieht die Betrunkenen auf der "Kotzwiese", an den Zelteingängen,
in der S-bahn. Man riecht sie mindestens genauso gut. Und ich verstehe gut,
dass es die Anwohner wütend macht, jeden Tag eine vollgekotzte Einfahrt zu
haben.
Gerade jetzt, wenn München ein Zentrum der
Flüchtlingsankünfte ist und an die Kapazitätsgrenzen gerät, ist so ein Andrang
in der Stadt besonders heikel.
Und trotzdem, geht fast jeder Münchner, auch ich, gerne zur
Wiesn. Trotzdem kommen so viele Menschen weltweit nach München, um das
Oktoberfest live zu erleben. Trotzdem geben alle unheimlich viel Geld aus.
Ich habe auch keine Kosten und Mühen und Schlafmangel
gescheut und bin von Berlin nach München gefahren, um beim ersten
Wiesnwochenende 2015 dabei zu sein.
Natürlich in Tracht. Das Dirndl habe ich schon viel zu lange
nicht mehr ausgeführt. Glücklicherweise hatte die Familie meines Freundes einen
Tisch im Zelt, sonst hätten wir bestimmt Schwierigkeiten gehabt etwas zu finden.
Die Zelte waren überfüllt, auf der Festwiese tummelten sich die Besucher und
die Schlagen an den Fahrgeschäften waren lang.
Aber ich war glücklich. Eine Maß Radler in der Hand,
bayrische Blasmusik im Ohr und fröhliche Menschen um mich herum. Ich mag die Atmosphäre, die Tradition, die
Tracht, die inzwischen von jedem getragen wird. So viele, ganze Massen in
bayrischer Tracht. Hier und da ein Dirndl, das mir gut gefällt. Sogar die coolsten Jungs schmeißen sich in Lederhosen und
Trachtenhemd.
Die Wiesn ist und bleibt eine meiner liebsten Traditionen.
Schon als Kind bin ich mit der ganzen Familie auf die
Theresienwiese gefahren, habe Stunden vor dem Löwen verbracht, der sich
verbeugt und „Löwenbräu“ sagt und bin Kettenkarussell und Geisterbahn gefahren.
Damals waren die Preise noch nicht so gesalzen, die Zelte noch nicht so voll und
die Gäste noch nicht so international.
Aber die Zeiten ändern sich eben. Die Wiesn ist jetzt ein
internationales Großereignis. Und darauf kann man auch stolz sein. Wir können
uns freuen, wenn die Menschen München für Fußball, Bier, Berge, Bayern und
Oktoberfest kennen. Das sind alles Dinge, auf die wir stolz sind. Dinge, die
wir zelebrieren. Auch in Zukunft.
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