Sonntag, 20. März 2016

Le mannequin de vitrine...

Die Schaufensterpuppe- eine Gesellschaftskritik.

Ein weiterer Tag hinter der Scheibe. Abgeschottet von der Welt und doch so verwundbar.
Viele Leute sind heute in der Straße unterwegs. Viele davon Touristen.
Die wollen sowieso nur schauen.
Eine Gruppe Mädchen geht vorbei. Die meisten sehen verstohlen zu ihr herüber. Verziehen missmutig ihre Gesichter. Tuscheln miteinander.
Eine von ihnen wirft ihr einen mitleidigen Blick zu.
Sie weiß nicht was schlimmer ist. Der Spott oder das Mitleid.
Sie braucht kein Mitleid. Davon kann sie ihre Miete auch nicht zahlen.

Mittlerweile hat sie sich daran gewöhnt. Jeden Tag ein neuer Kunde. Sie schlüpft in eine neue Rolle und versucht nichts dabei zu fühlen. Jeden Tag trägt sie mehr Make-Up auf, kauft einen noch dunkleren Lippenstift, schminkt ihre Augen noch kräftiger. Versteckt sich hinter ihrer Maske. Die ist das einzige Schutzschild, das sie gegen die Männer hat. Es ist ihre Verkleidung. Sie ist nicht mehr sie selbst. Unter der Maske verbirgt sich eine zerbrechliche Seele, die schon viele Kratzer und Narben hat. Aber die werden sie nie zu sehen bekommen. Sie sind versteckt unter der Schminke. Sie sehen vielleicht durch die Scheibe, aber sie sehen sie nicht wirklich.

Ein junges Pärchen geht an ihrem Schaufenster vorbei. Hand in Hand. Sie kann nicht anders, als sich zu fragen, wann ihre Hand das letzte Mal gehalten wurde. Wann hat sie das letztes Mal jemand so angesehen? Wann hat ihr der Sex das letzte Mal etwas bedeutet?

Im Schaufenster gegenüber räkelt sich diese Hure wieder. Mit Erfolg. Heute schon der dritte Typ bleibt stehen. Wenn die wüssten worauf sie sich da einlassen. Warum hat sie heute noch keiner beachtet?
Ein kurzer Blick in den Spiegel. Die Maske sitzt. Sie schlüpft in ihre Rolle.
Der nächste Mann, der vorbeikommt, bekommt ein ganz anderes Gesicht zu sehen. Sie lächelt und flirtet, aber innerlich schreit und weint sie.
Wieder ein Kratzer mehr. Sie liegt bewegungslos da. Wie eine Puppe, ein Roboter. Eine leblose Hülle, die sich beherrschen lässt. Bis es vorbei ist, er wieder geht.

Morgen wird sie wieder eine weitere Schicht mehr Schminke auftragen, ihre Lippen noch röter schminken und ihre Augen noch mehr zukleistern. Sie wird immer mehr aufrüsten, ihr Schutzschild stärken. Bis sie irgendwann ihre Niederlage einsehen muss. Bis ihre Seele vor lauter Kratzern zerbricht. Bis die Porzelanpuppe im Schaufenster in tausend Stücke zerfällt.


Die Zahl der Frauen in der Prostitution wird heute allein in Deutschland auf zwischen 400.000 bis 1.000.000 geschätzt. Viele dieser Frauen werden Gewaltopfer der Freier oder Zuhälter. 
3,7% der Berliner Studenten gehen der Prostitution nach, um sich das Studium zu finanzieren. Und sogar jede(r) dritte kann es sich vorstellen, seinen Lebensunterhalt damit zu verdienen.


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